Ökumene und Diaspora

Wir beten um Frieden in der Ukraine

Die Martin-Luther-Gemeinde ist seit vielen Jahren partnerschaftlich verbunden mit den luth. Kirchengemeinde in Krementschuk/Ukraine. Die 250.000 Einwohner-Stadt Krementschuk liegt beidseits des Flusses Dnjepr, 300 km südöstlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Unsere Gedanken und Gebete sind deshalb in besonderer Weise bei den Glaubensgeschwistern dort, die eine Delegation aus der Gemeinde noch 2019 besuchen konnte. Wir versuchen, den Kontakt auf verschiedenen Wegen aufrecht zu erhalten. 

 

Offener Brief der Ökumenischen Pfarrkonferenz Bad Bentheim

Von der Relativierung bis hin zur Leugnung des Holocaust ist es nicht weit

Anlass dieses Briefes sind zwei Fotos, die in der Nacht vom 10. auf den 11.01.2022 an den Schaukasten der St. Johannes Kirche geklebt worden sind. Auf einem der Fotos stehen unter der Überschrift „Das hatten wir schon mal“ nebeneinander zwei Aussagen: „Juden sind hier unerwünscht – 1934“ und „Ungeimpfte sind hier unerwünscht – 2021“. 

Auf dem anderen Foto sind Hans und Sophie Scholl abgebildet mit Zitaten aus dem Flugblatt der „Weißen Rose“, einer Widerstandsgruppe um die Geschwister Scholl, die mittels
Flugblätter 1942 und 1943 gegen die Diktatur des Nationalsozialismus und deren totalitäre Kriegspolitik protestierten.

Beide Fotos vermitteln die Botschaft: Wir, die Ungeimpften, leiden heute wie die Juden und die Widerstandkämpfer*innen in der Nazidiktatur damals.

Dazu nimmt die Ökumenische Pastor*innenkonferenz Bad Bentheim wie folgt Stellung:
Wir empfinden diesen Vergleich als unerträglich und meinen, dass wir den Opfern der Nazidiktatur und den Angehörigen unserer Mutterreligion, dem Judentum, eine Stellungnahme schuldig sind.
Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat und sind dafür dankbar. Nicht immer ist jede und jeder mit konkreten Entscheidungen der Volksvertreter*innen einverstanden. Dagegen können wir unsere Stimme erheben, miteinander reden oder auch demonstrieren.
Nun verlangt die Coronapandemie uns Vieles ab. Einschränkungen, wie wir sie nicht kannten, bestimmen derzeit unser Leben. Und da unser Land eben ein demokratischer Rechtsstaat ist, ist es auch möglich, gegen die Maßnahmen zu demonstrieren. Das ist gut so. Und widerlegt die oftmals gehörte Behauptung, in einer Diktatur zu leben.

Die beiden Bilder am Schaukasten der katholischen Kirche vergleichen die Lage derjenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, mit den Opfern der Nazidiktatur.


Zum Vergleich mit den Geschwistern Scholl:
Die Geschwister Scholl waren zusammen mit anderen im Widerstand gegen die Nazidiktatur. Ihr Protest richtete sich gegen die menschenverachtende rassistische Diktatur und die Kriegspolitik der Naziherrschaft. Die „Weiße Rose“, so die Bezeichnung der Widerstandsbewegung, verteilte zwischen SS- und Gestapo-Terror in einer skrupellos mordenden und folternden Diktatur Flugblätter. Im sechsten und letzten beklagten sie den sinn- und verantwortungslosen Tod von dreihundertdreißigtausend deutschen Männern bei Stalingrad. Die Verantwortlichen zögen innerhalb ihres Bildungssystems die Deutschen zu „gottlosen, schamlosen und gewissenlosen Ausbeutern und Mordbuben heran, zu blinden, stupiden Führergefolgschaft“, so ihr Protest. Nach der Verteilung dieses Flugblatts in der Universität München wurden sie am 18. Februar 1943 entdeckt und verhaftet. Bereits am 22. Februar 1943 wurden sie vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und starben noch am
selben Tag. Ein Vergleich mit den damaligen politischen Verantwortlichen ist nicht nur falsch, sondern dumm. Ein Vergleich mit den Geschwistern Scholl schamlos.

Zum Vergleich mit den Juden im nationalsozialistischen Deutschland:
Auf Demonstrationen gegen die Coronapolitik werden gelbe Sterne mit der Inschrift „Impfen macht frei“ getragen. Andere nennen das Infektionsschutzgesetz „Ermächtigungsgesetz“. Auf einer Querdenkerdemonstration hat sich vor einiger Zeit eine 11Jährige öffentlich mit Anne Frank verglichen. Sie fühle sich genauso eingesperrt wie Anne Frank im Hinterhaus in der Prinsengracht in Amsterdam. 

In Anlehnung an Sarah Bosetti, Autorin, Moderatorin (ZDFkultur), setzen wir den Vergleich dieser 11Jährigen fort. Wenn dieses Mädchen wie Anne Frank ist, dann müssten die Eltern mit ihrem Kind komplett untertauchen, wenn sie dreizehn ist, um nicht deportiert und ermordet zu werden. Die Familie lebt dann zu acht in einer kleinen Wohnung eingesperrt. Die Tochter darf nicht laut sein und das Haus nicht verlassen. Kurz nach ihrem fünfzehnten Geburtstag wird die Familie verraten, die Tochter wird für immer von ihren Eltern getrennt.
Sie kommt mit ihrer Schwester nach Auschwitz. Da sie schon fünfzehn ist, darf sie noch ein halbes Jahr leben. Bei der Ankunft wird sie ausgezogen, rasiert und kriegt eine Nummer eintätowiert. Sie siecht dahin, sie infiziert sich mit Krätze, sie verliert ihre Schwester, die ein paar Tage vor ihr stirbt, dann stirbt auch sie. Zwei Monate, bevor sie befreit worden wäre. Begraben wird sie in einem Massengrab, ihr Todesdatum wird nicht mehr notiert.

So sähe das Leben der Tochter und all derjenigen aus, die meinen, sich mit den Opfern der Nazidiktatur vergleichen zu müssen. Doch das Leben derer, die so denken, ist nicht so wie das der Geschwister Scholl oder Anne Frank. Denn die, die diese Vergleiche bemühen, leben in einem der momentan reichsten, sichersten und demokratischsten Länder der Welt.
Und es ist unsere Aufgabe, die Erinnerung wach zu halten, sodass alle, die zu solchen Vergleichen greifen, die Geschichte einer Sophie Scholl und einer Anne Frank kennenlernen und daraus für Gegenwart und Zukunft lernen. Denn von der kleinen Relativierung bis hin zur Leugnung des Holocaust ist es nicht weit.
Wie gut, dass wir Erinnerungstage wie den 27. Januar, Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, haben. Wir brauchen sie. Solange die Gräueltaten der Nazis derart relativiert werden, mehr denn je.

Christliche Gemeinden in Bad Bentheim